Lothar Wolleh war ein deutscher Fotograf.
Berlin, Deutschland 1930 - 1979 London, England.

Erforschen

Ein Wolleh in Brooklyn, New York

Jan Henderikse
  • Autor Antoon Melissen
  • Zeit 2019
  • Werk Research

Lothar Wolleh zu erforschen heißt den Spuren der Avantgarde der 1960er und 1970er zu folgen. Wo immer sich Künstler niederließen, schien Wolleh zu folgen. Daher finden sich seine Fotografien auch vier Jahrzehnte nach seinem Tode an ganz unerwarteten Orten. Sogar im Keller eines Stadthauses in Brooklyn. 

Der Zugang zu in staubigen Kellern und Dachkammern lagernden persönlichen Archiven eines Künstlers ist eine der regelmäßigen Freuden eines Kunsthistorikers. Etwas zutage zu fördern, zu identifizieren und in einen Kontext zu bringen, was dem Auge verborgen war oder sogar als verloren galt, ist eine zutiefst lohnende Reise. Die Erregung, die beim Durchsuchen von rostigen Aktenschränken und Schuhkartons mit jahrzehntealter Korrespondenz aufkommt, ist schwer zu erklären. So wie es bei einem Forschungsaufenthalt in New York im April 2019 war, als sich im Keller des Brooklyner Stadthauses von Jan Henderikse eine Reihe von Fotografien von Lothar Wolleh von 1968-1969 fanden.

Er spürte was passte und ausdrucksstark war

Jan Henderikse (geb. 1937), seit 1968 in New York wohnhaft, traf Lothar Wolleh in eben diesem Jahr in der niederländischen Stadt Delft. Damals hatte Lothar Wolleh eine enge Freundschaft mit dem niederländischen Künstler Jan Schoonhoven (1914-1994) aufgebaut. Es war zu erwarten, dass Henderikse eines der nächsten „Themen“ von Lothar Wolleh werden würde; Wolleh machte mehrere Porträts von Henderikse und fotografierte eine Reihe seiner neuesten Münzreliefs. „Wenn Lothar da war, beschäftigte er sich immer mit seiner Fotografie - und mit unserer Kunst, könnte man sagen“, so Henderikse. „Ich habe damals mit Münzen gearbeitet, großformatigen Tafeln mit niederländischen und antillianischen Münzen in geometrischen Formen. Wir tauschten sogar Werke aus, eines meiner Münzreliefs, gegen Lothars Fotografien.“

Jan Schoonhoven
Jan Henderikse

Im Januar 2015 zeigte die David Zwirner Gallery die erste retrospektive Ausstellung von Jan Schoonhoven in den USA, wiederum in New York. Als Autor des Katalogs nahm ich an der Eröffnung in Begleitung von Jan Henderikse teil. Ich leitete meinen Essay mit einem ikonographischen Porträt von Jan Schoonhoven aus dem Jahr 1969 von Lothar Wolleh ein. Die offizielle Vorstellung der Veröffentlichung fand einige Monate später im Hörsaal der New York Public Library statt. Und auch hier begann ich meinen Vortrag mit einem Porträt von Lothar Wolleh, das Schoonhoven sichtlich entspannt in seinem abgetragenen Dufflecoat - gewissermaßen seinem Markenzeichen - zeigt.

Im April 2019 erinnerte sich Henderikse: „Fotografen machen einen normalerweise verrückt; man muss immer Dinge tun, zu denen man eigentlich gar keine Lust hat. Bei Lothar war es anders; er hat gespürt, was passt, was Sinn macht.“